Sie sind Übersetzer und möchten sich selbständig machen? Das ist nicht schwer, trauen Sie sich. Der Übersetzungsmarkt wächst seit Jahren beständig, d. h., Aufträge gibt es genug. Sie müssen nur wissen, wie man an die lukrativen Aufträge herankommt. Die Kosten für anfängliche Investitionen halten sich für Übersetzer im Vergleich zu anderen Berufsgruppen in Grenzen. Ich habe Ihnen hier ein paar leicht umzusetzende Tipps zusammengestellt. Beginnen Sie gleich mit der Umsetzung. Die nachfolgenden Tipps richten sich vor allem an Absolventen eines Übersetzer-Studiengangs. Zu allen Punkten gibt es in Übersetzerkreisen verschiedene Ansichten. Der nachfolgende Text gibt meine Ansichten wieder.
Verbände
Treten Sie einem Verband bei, der für Ihren Tätigkeitsbereich interessant ist (BDÜ, VDI, Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren VFLL oder tekom). Informieren Sie sich auch über die Verbände Ihrer Zielsprachenländer (z. B. ATA und ITI für Englisch-Übersetzer). So können Sie direkt am Zielmarkt Werbung für Ihr Unternehmen machen und Kontakte vor Ort knüpfen. In den Verbänden können Sie die alten Hasen um Rat fragen und Sie erhalten Tipps zu Themen, die das Dasein als Übersetzer/Freiberufler betreffen.
Netzwerke
Netzwerken Sie, wo Sie nur können. Melden Sie sich in Business-Portalen wie Xing oder LinkedIn an. Eine Mitgliedschaft beim internationalen Übersetzerportal Proz.com (Kosten aktuell: 104,00 € für 1 Jahr) ist meiner Meinung nach für jeden Berufsanfänger unverzichtbar und sorgt für eine bessere Visibility im Netz. Beantworten Sie Terminologie-Fragen in KudoZ und verbessern Sie so Ihre Ranglistenposition. Verlinken Sie Ihre Homepage und stellen Sie ein professionelles Porträtfoto (am besten im Business-Outfit) ein. Halten Sie Ihren Lebenslauf immer auf dem aktuellen Stand. Rechtschreibfehler auf Ihrer Seite sind tödlich! Denken Sie immer daran, Sprache ist Ihr Metier. Nach und nach sollten Sie prüfen, inwieweit sich das Netzwerken lohnt und Ihre Netzwerk-Tätigkeiten zielorientierter einsetzen.
Büroausstattung
Kaufen Sie sich einen ordentlichen Rechner. Hochleistungsfähige Rechner sind mittlerweile zu einem Spottpreis erhältlich. Kaufen Sie sich ein Faxgerät bzw. ein Multifunktionsgerät. Auch wenn heutzutage nur noch wenige Faxe versendet werden, ist es immer noch ein Ausdruck von Professionalität, eine Faxnummer auf seiner Visitenkarte anzugeben. Gute All-in-One-Geräte gibt es mittlerweile schon ab 50 €.
Software speziell für Übersetzer
Arbeiten Sie sich in ein Translation-Memory-Tool Ihrer Wahl ein. Ich empfehle Trados, weil es einfach immer noch das am weitesten verbreitete Programm ist. Die Investition lohnt sich langfristig. Aber auch mit anderen, preisgünstigeren oder gar kostenlosen Programmen (Wordfast, Across, memoQ) kann man starten. Für die meisten Programme sind kostenlose Webinare verfügbar. Alternativ können Sie auch erfahrene Kollegen um eine Einführung bitten.
Website
Eine halbwegs professionell gestaltete Website muss einfach sein. Es gibt mittlerweile gute Blogsoftware, mit denen Sie eine ordentliche Website anlegen können, z. B. WordPress. Aktualisieren Sie Ihre Website unbedingt regelmäßig. Wechselnder Content verschafft Ihnen auch eine bessere Platzierung bei Google-Suchergebnissen. Verlinken Sie Ihre Website mit Ihren anderen Profilen im Netz und in Ihrer E-Mail-Signatur. Legen Sie sich eine Ihrer Webdomain entsprechende E-Mail-Adresse an, z. B. kontakt@deutsch-uebersetzer.de. E-Mail-Adressen, die Ihre Domain enthalten, sind werbewirksam und wirken professioneller als Ihre private Hotmail- oder Gmailadresse. Achten Sie beim Texten für Ihre Website darauf, direkt den Nutzen Ihrer Dienstleistung für den KUNDEN hervorzuheben. Sagen Sie nicht, wie toll Sie übersetzen können, sondern wie toll sich Ihre flüssige Übersetzung auf seine Umsätze auswirken werden. IHR KUNDE kann beruhigt schlafen, Feierabend machen, sich entspannen etc. – während Sie an seinen Texten feilen.
An erste Aufträge kommen – Erfahrungen sammeln
Am einfachsten und schnellsten kommen Sie an Aufträge, indem Sie z. B. 100 aussagekräftige Bewerbungen an die größten Agenturen weltweit schicken. Dazu gehören z. B. SDL oder Lionbridge. Eine Liste der Top 100 der Sprachdienstleister weltweit finden Sie auf der Website von Common Sense Advisory (auf “Download this research” klicken). Sie können auch für Sie interessante Agenturen über das Unternehmensverzeichnis auf Proz.com herausfiltern. Legen Sie einen perfekten Lebenslauf und erste Referenzen bei (wie so etwas auszusehen hat, können Sie in Proz-Foren recherchieren oder bei Kollegen in der Xing-Gruppe „Freiberufliche Übersetzer“ erfragen). Manche Agenturen möchten eine Probeübersetzung, bevor Sie in die agenturinterne Datenbank aufgenommen werden. Wenn die Agentur einen guten Eindruck macht (Rating im ProZ-Blueboard überprüfen), spricht meiner Meinung nach nichts gegen eine solche Arbeitsprobe. Sie sollten sich allerdings eine persönliche Schmerzgrenze setzen, z. B. maximal 200 Wörter.
Die großen Büros haben meist umfassende TMs für Ihre Großkunden angelegt. Daher können Sie bei der Arbeit für große Übersetzungsagenturen eine Menge lernen und sich nach und nach auf ein Gebiet Ihrer Wahl spezialisieren, z. B. Wirtschaftstexte, Agrartechnologie, Softwareoberflächen oder Drehbücher. Wenn es Ihnen mehr liegt, können Sie selbstverständlich auch gleich mit einem Werbebrief passende Direktkunden ansprechen. Weitere Tipps zur Kundenakquise gibt es in diversen Blogs freiberuflicher Übersetzer. Ich lese beispielsweise sehr gern diesen und diesen hier (beide EN). Schauen Sie sich vor allen Dingen auch Ihre fremdsprachlichen Zielmärkte an!
Pressearbeit
Wenn Sie in einer kleinen Stadt wohnen, sollte es kein Problem sein, Ihre lokale Zeitung davon zu überzeugen, dass Ihre neue Freiberuflichkeit einen kurzen Bericht wert ist. Präsentieren Sie sich von Ihrer besten Seite!
Sie tun etwas von allgemeinem Interesse, zum Beispiel ehrenamtlich für den Ausländerbeauftragten Ihrer Stadt dolmetschen? Ich denke, dies dürfte Ihre lokale Presse durchaus interessieren. Wie Sie wirkungsvolle Pressemeldungen verfassen, erfahren Sie in diversen Blogs oder auf www.akademie.de.
Kontakt zu Kunden
Sie sollten Ihren Kunden zuverlässig zur Verfügung stehen. Wenn Sie einmal einen Tag frei machen wollen, dann teilen Sie dies Ihren Kunden entweder vorher mit einer kurzen E-Mail mit oder richten Sie eine Autoresponder-E-Mail ein, in der Sie Ihren Kunden mitteilen, warum Sie nicht erreichbar sind und wann sie mit einer Antwort rechnen können. Melden Sie sich am Telefon mit Ihrem vollständigen Namen und lächeln Sie dabei. Schicken Sie bei E-Mail-Kontakten immer Ihre E-Mail-Signatur mit allen Kontaktdaten (Telefon, Fax, Adresse, Name Ihres Unternehmens, Website, Skype, E-Mail-Adresse) mit. So muss Ihr Kunde nicht extra in seiner Adressdatenbank nach Ihren Daten suchen, wenn er Sie kontaktieren möchte. Sie verschaffen sich damit einen Wettbewerbsvorteil.
Berufsethos – Liefern Sie pünktlich.
Das klingt selbstverständlich, in diversen Foren wird allerdings immer wieder deutlich, dass Pünktlichkeit die Achillesferse des gemeinen Übersetzers ist. Wenn Sie sich mit Ihrer Pünktlichkeit einen guten Ruf verschaffen, dann ist dies ein weiterer guter Grund für Ihre Kunden, zu Ihnen zurückzukehren. Unterschätzen Sie Pünktlichkeit nicht. Sobald die Übersetzung den Postausgang verlassen hat, können Sie ja wieder trödeln.
Tools/Websuche
Machen Sie sich mit kleinen, aber feinen Tools vertraut, die Ihnen den Übersetzeralltag versüßen. Dazu gehören beispielsweise LetMeType (AutoText beim Tippen), Dragon NaturallySpeaking (Spracherkennung) und Linguatec VoiceReader (Sprachausgabe von Texten, wunderbar zum Korrekturlesen). Perfektionieren Sie Ihre Internetsuchkompetenzen. Probieren Sie mal IntelliWebSearch aus. Die zwei Stunden Einarbeitungszeit lohnen sich auf jeden Fall. Integrieren Sie z. B. die Suche www.linguee.de in IntelliWebSearch. Ein Tool, auf das ich bei meiner täglichen Übersetzungsarbeit nicht verzichten möchte, ist die Xbench von Apsic. Ich verwende das Programm zur Qualitätsprüfung meiner Übersetzungen (Entfernen von doppelten Leerzeichen, inkonsistente Übersetzungen gleicher Sätze, dateiübergreifende Rechtschreibprüfung). Die Version 2.9 ist bis heute kostenlos – wäre es das nicht, ich würde für das Programm gern 500 Euro zahlen. Fazit: All diese Tools sorgen dafür, dass Sie schneller arbeiten – und so mehr Geld verdienen.
Zeit effizient nutzen
Nutzen Sie Ihre Arbeitszeit (gewöhnlich zwischen 8 und 16.00 Uhr) effektiv. Lesen Sie E-Mail nicht öfter als zweimal täglich. Richten Sie in Ihrem E-Mail-Programm einen Autoresponder ein, wenn Sie Angst haben, durch weniger häufige Abfragen Kunden mit dringenden Anfragen zu verlieren. In diesem Autoresponder können Sie Ihre üblichen E-Mail-Lesezeiten angeben und bei dringenden Anfragen um einen Anruf bitten. Erledigen Sie wichtige Übersetzungen oder unliebsame Aufgaben unbedingt vormittags und legen Sie sich To-Do-Listen für jeden Tag an. So behalten Sie den Überblick.
Datensicherung
Sichern Sie Ihre Daten täglich, z. B. auf einer externen Festplatte (z. B. mit Acronis True Image oder Copy to Synchronizer). Ab Windows 10 ist auch die betriebssysteminterne Sicherung empfehlenswert. Teilen Sie Ihren Kunden auf Ihrer Website mit, dass Sie sorgfältig mit den Ihnen anvertrauten Daten umgehen – und z. B. anständige Virenschutzprogramme verwenden. Das beruhigt Ihre Kunden und schafft Vertrauen.
Existenzgründerkurs
Nehmen Sie an einem Existenzgründerkurs teil. Dadurch können Sie Kontakte zu anderen Existenzgründern knüpfen. Außerdem erhalten Sie kostenlos eine Menge nützlicher Informationen für den Unternehmeralltag – ein bisschen Ahnung von Buchhaltung hat noch nie geschadet. Lassen Sie sich zu Anfang von einem Steuerberater eine kurze Einführung geben (ca. 2 h). Das lohnt sich und Sie haben erstmal einen groben Überblick. Auf triacom.com finden Sie ein Dokument, das Sie zum Thema Umsatzsteuer unbedingt lesen sollten.
Anmerkung: Die Erstfassung dieses Artikels stammt aus dem Jahr 2008. Ich habe den Text 2016 leicht überarbeitet und ergänzt.